Die guten Vorsätze von Mutti

Auch auf die Gefahr hin, mich hiermit bei Vielen unbeliebt zu machen und auch auf Unverständnis zu stoßen. Ich glaube es muss ausgesprochen werden und ich hoffe, zumindest einige hiermit zum Nachdenken anzuregen.

Unsere Kanzlerin, unsere Mutti, von der Partei, mit der die SPD im Wahlkampf eine Koalition kategorisch und vehement ausgeschlossen hat, hat in ihrer Neujahrsansprache einiges gesagt. Und ich möchte mir hier das Recht herausnehmen, einige der Aussagen (nur Auszüge, nicht die gesamte Rede) ganz subjektiv kritisch von meiner Seite aus zu betrachten.

„Die Flut, die im Frühsommer in das Leben vieler Menschen an Donau, Elbe, Mulde und Saale brach, war so ein Ereignis. […] Doch zugleich brach noch eine Welle ganz anderer Art los, eine überwältigende Welle der Hilfsbereitschaft. Sie zeigte besonders deutlich, was in unserem Land steckt. Eine Gruppe von Studenten in Passau mobilisierte über das Internet täglich ein paar Tausend freiwilliger Helfer und sorgte dafür, dass die Hilfe dorthin kam, wo sie gebraucht wurde. Das ist nur ein Beispiel von vielen.“

Genau! Freiwillige Helfer! Mobilisierung über das Internet!  – Willkommen in meiner Welt! Ein großes Lob und riesen Dank an alle, die einfach mal geholfen haben, als Hilfe gebraucht wurde. Ein Kompliment an die Studenten und alle anderen, die hier das Internet zu Nutzen wussten, und genutzt haben! Es ist ein positives Beispiel dafür, was das Internet in Verbindung mit persönlichem Engagement bewirken und schaffen kann! Warum also, liebe Regierung, wollt ihr uns und unser Internet beschränken und überwachen? Warum traut ihr uns nicht zu, tolle Dinge umzusetzen, die hilfreich sind und großes bewirken? Warum verlangt ihr Vertrauen seitens der Bürger, ohne den Bürgern zu vertrauen?

„Es ist also wahrlich nicht alles so, wie wir es uns erhoffen oder wünschen.“

Wahrlich nicht… diesen Koalitionsvertrag haben sich, so wie ich das sehe, nicht sehr viele Menschen erhofft oder gewünscht.

„Doch immer wieder gibt es Chancen zu neuen Anfängen. Viele in Deutschland – Junge wie Alte – sagen: Ich wage es. Sie gründen eine Initiative oder eine Firma. Sie nutzen ihr Talent und werden Künstler, Sportler oder Handwerker. Sie setzen sich ein in ihrem Beruf als Verkäuferin, Altenpflegerin oder Richterin. Sie leben mit einer Behinderung und tragen wie Millionen anderer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zum Erfolg unseres Landes bei. Sie schauen nicht weg, sondern zeigen Zivilcourage, wenn andere bedrängt werden und in Not geraten.“

Richtig erkannt: Es gibt so viele Menschen, die so viel geben. Manchmal mehr, als man glaubt, dass sie können. Und sie alle tun damit so viel. Warum, liebe Regierung unterstützt ihr das so spärlich? Eine Firma gründen, ist vor allem damit verbunden, sich für staatliche Unterstützung komplett entblößen zu müssen und Angst zu haben auf Hartz IV zu fallen und dort nie wieder rauszukommen. Wie Sie, Frau Merkel das sehr treffend beschreiben: So viele Menschen arbeiten… viele sogar in zwei Jobs, nur um halbwegs gut Leben zu können. Sie alle tragen mit einer viel zu schlechten Bezahlung zum Erfolg bei… von wem eigentlich? Wer profitiert von den geringen Löhnen? Auf jeden Fall nicht die Menschen, die ihr Leben damit kaum bestreiten können, keine Möglichkeit haben angemessen vorzusorgen und so auch bei der Rente auf die Grundsicherung angewiesen sind, von der es sich kaum Leben lässt.

„Jede Lebensgeschichte steht für sich – und trägt zugleich ihren Teil zu dem bei, was unser Land im Kern ausmacht: Leistungsbereitschaft, Engagement, Zusammenhalt. Was jeder Einzelne von uns im Kleinen erreicht, das prägt unser Land im Ganzen. Der Staat kann investieren. Er kann gute Bedingungen schaffen. Doch die Politik könnte nur wenig bewirken ohne Sie alle in unserem Land, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, gleich welcher Herkunft. Das ist auch der Grund für die vielen guten Nachrichten in diesem Jahr.“

Sorry, aber HÄ? Wir alle tun, was wir können, manche mehr manche weniger. Einige denken vielleicht auch nur an sich. Unsere Gesellschaft ist inzwischen fast darauf angewiesen, dass wir uns selbst und gegenseitig helfen. „Der Staat kann investieren. Er kann gute Bedingungen schaffen“ – Warum verdammt noch mal tut er es nicht? Warum investiert der Staat nicht in die Bildung? Warum werden Arbeitslose schikaniert, anstatt ihnen zu helfen langfristig einen Job zu finden und ein menschenwürdiges Leben zu führen? Warum werden Geringverdiener gegen Hartz IV Empfänger ausgespielt. Warum wird bei Arbeitslosen der Hass auf Ausländer geschürt, und verbreitet, dass diese uns angeblich die Jobs wegnehmen und nur unsere Sozialleistungen abgreifen wollen? Warum werden Migranten noch immer nicht ausreichend integriert? Warum redet jeder von Fachkräftemangel, wenn die gesuchten Fachkräfte immer noch nicht adäquat bezahlt werden? – Die Politik könnte nur wenig bewirken…??? Sorry Leute! Ich glaube ihr habt euren Job nicht verstanden. Ihr könnt Gesetze und Budgets beschließen. Ihr könnt Deutschlandweit, ja sogar Europaweit die Prioritäten setzen. Dazu braucht ihr das Engagement der Bürger nicht. Und was tut ihr? Wo setzt ihr Prioritäten? Nicht bei Bildung! Nicht bei menschenwürdigem Leben! Nein! Vorratsdatenspeicherung, Blackbox für Autos, TTIP… Bevormundung und Überwachung, statt Freiheit und Vertrauen. Ohne die Arbeit so vieler engagierter Menschen, stünden wir alle noch schlechter da. Oft habe ich das Gefühl, dass wir als Bürger nur dabei sind, auszugleichen, was die Politik nicht hinbekommt oder sogar aktiv versaut hat.

„Es erklärt, warum bei uns so viele Menschen wie noch nie zuvor einen Arbeitsplatz hatten, warum wir im harten weltweiten Wettbewerb so gut mithalten und warum sich so viele Menschen ehrenamtlich in unsere Gesellschaft einbringen.“

Da reicht ein kurzes Statement: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast! Und eine quantitative Aussage, sagt nichts über die Qualität des Merkmals. – Oder was Merkel eigentlich sagen will: Super, dass ihr das alles selbst irgendwie hinbekommt, obwohl die Regierung gegen die Menschen arbeitet.

„Es gibt viel zu tun, damit Deutschland auch in Zukunft stark bleibt. Besonders wichtig ist mir, dass wir unsere Finanzen der nächsten Generation geordnet übergeben, dass wir die Energiewende zum Erfolg führen, dass wir gute Arbeit und ein gutes Miteinander in unserem Land haben – gerade auch weil unsere Gesellschaft älter und vielfältiger wird. Wir wollen die Familien unterstützen – sie sind das Herzstück unserer Gesellschaft.“

Das sind ja ganz tolle Vorsätze. Jetzt fehlt nur noch ein langfristig gedachtest Konzept. Bei den aktuellen Maßnahmen, sehe zumindest ich nicht, wie diese Vorsätze bzw. Ziele erreicht werden sollen. Sieht für mich aus, wie die typischen Vorsätze zum Jahreswechsel, die spätestens eine Woche später sowieso wieder vergessen sind. Vor allem ist es schon echt ne Nummer zu sagen „Es gibt viel zu tun“, nachdem die gute Frau schon seit über 8 Jahren an der Regierung ist und man meinen könnte, in der Zeit auch so einiges schaffen zu können. Vor allem, weil die gute Dame schon 2005 damit Wahlkampf gemacht hat, den Haushalt konsolidieren zu wollen.

„Wir wollen, dass alle Kinder und Jugendlichen die bestmögliche Bildung und damit die bestmögliche Chance auf ein gutes Leben erhalten können. Dabei wissen wir, dass die Fortschritte unseres Landes stets davon abhängig sind, dass wir auch in Europa vorankommen und die Staatsschuldenkrise tatsächlich dauerhaft überwinden.“

Oder anders gesagt: Wir predigen Bildung für alle, wollen aber kein Geld ausgeben, um auch darein zu investieren. Seht zu wie ihr klar kommt! Unsere Prioritäten liegen woanders. Fortschritte unseres Landes hängen schließlich nicht an der Bildung, sondern an Europa und dem lieben Geld.

„Im kommenden Mai können rund 375 Millionen Bürgerinnen und Bürger Europas ein neues Europäisches Parlament wählen – also genau 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkrieges, 75 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges und 25 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, dem Anfang vom Ende der Teilung Deutschlands und Europas. Europa wurde aus einem Traum weniger durch die Anstrengung vieler ein Ort des Friedens für Millionen.“

Ach ja, Europawahl… noch schnell Werbung machen…

„Das zeigt einmal mehr, wie viel wir erreichen können, wenn wir einander vertrauen und zusammenhalten – so wie es die vielen Freiwilligen und Soldatinnen und Soldaten, die Polizistinnen und Polizisten und alle anderen Einsatzkräfte bei der Flut im Frühsommer getan haben. Jeder einzelne Beitrag mag zunächst klein erscheinen – angesichts der Größe der Aufgaben.“

Einander vertrauen… warum vertraust du uns nicht liebe Mutti? Wieso kommt mir alles so unglaublich einseitig vor? Ja, es gibt Menschen die einander vertrauen und zusammenhalten. Menschen die einander helfen… aber wo ist die Vertrauen der Politiker, wo ist die Hilfe der Regierung? Ja, wir könnten so viel erreichen, aber da müssen auch alle mitmachen. Nicht nur die Bürger… auch diejenigen, die von den Bürgern gewählt wurden, um sie zu vertreten und eine bessere Welt versprochen haben.

Was für ein Schauspiel… Authentizität? Habe ich gar nicht wahrgenommen…

Mein Fazit dieser Rede: Die Kanzlerin verlässt sich drauf, dass wir uns selber helfen und uns gegenseitig unterstützen. Offensichtlich sieht sie hier nicht die Politik in der Pflicht. Die ist ja viel zu sehr damit beschäftigt, das Betreuungsgeld in Bayern zu verteilen, Spenden von BMW entgegen zu nehmen, eine Bezahlmail inkl. Überwachung (auch DE-Mail genannt) einzuführen, Wirtschaftslobbyisten glückliche zu machen und eine Überwachung der Bürger u.a. in Form der Vorratsdatenspeicherung und anderer Mechanismen voranzutreiben. Das klingt populistisch… JA! Genau! Anscheinend wirkt das auch am besten, um die Menschen zu erreichen. Würde unsere Regierung nicht schon so lange (unabhängig davon, welche Partei an der Macht ist) eine so fiese Sozialpolitik fahren, die Menschen (und ihre Schicksale) nicht nur ignoriert, sondern auch schikaniert und gegeneinander aufbringt, dann würde das Engagement, das so viele Menschen so selbstverständlich an den Tag legen auch ausreichen. Diese Rede ist ein Schlag ins Gesicht, für alle, die versuchen etwas auf die Beine zu stellen, für alle, die etwas für die Gesellschaft tun wollen und für alle, die sich für andere engagieren – entgegen aller politischen Widrigkeiten. Ich lehne mich jetzt aus dem Fenster und sage: Die Menschen tun schon so viel, um diese Gesellschaft menschlich und menschenwürdig zu erhalten, haben aber nur begrenzte Möglichkeiten. Nun liegt es an der Politik, endlich nicht mehr dagegen zu arbeiten, sondern etwas für alle Menschen –  oder wenigstens die, die in Deutschland leben, zu tun. Für mich heißt das vor allem Bildung, Freiheit und Vertrauen.

Vielleicht ist es ein idealistisch positives Menschenbild. Aber ich möchte mich nicht an der Minderheit der negativen Beispielen orientieren, sondern an dem, was Menschen für die Gesellschaft leisten können, wenn man Ihnen die Möglichkeit gibt. Ich glaube nicht, dass Menschen überwacht und bevormundet werden müssen.

Passend dazu auch eine der ersten Meldungen im neuen Jahr: Am 1.1.2014 wird in der Tagesschau die Blackbox für Autos angekündigt. Infos dazu unter anderem bei Autobild, Spiegel und Welt. Ein weiterer Versuch Überwachung positiv zu besetzen. Versicherungen belohnen Menschen, die sich überwachen lassen. Wohin das führen kann, und was man denn noch so überwachen könnte, das kann sich jetzt jeder selbst ausmalen. Ist übrigens auch ein wichtiges Thema für die Europawahl! Denn hier werden schon die Weichen für eine Blackbox-Pflicht gestellt. – Aber das Thema nun auszuführen, würde den Rahmen dieses Blogeintrags sprengen

 

In dem Sinne wünsche ich allen eine frohes neues Jahr, das von Erfolg, Menschlichkeit und guter Laune geprägt ist. Engagiert euch weiter und helft einander. Ich hoffe, dass hier auch bald mehr Unterstützung aus der Politik kommt, als ein paar warme Worte.